Die Coworking-Welt hat einen neuen Riesen: Rivvers startete in Frankfurt und ist das Ergebnis der Fusion von Work Inn und SleevesUp! Bis 2028 wollen sie auf 100 Standorte expandieren. Doch was bedeutet diese Dominanz für bestehende Mieter und die Zukunft der Coworking-Szene in Deutschland? Ich habe mit Tim Schabsky, einem der Köpfe hinter Rivvers, gesprochen!
Mit Eröffnung des neuen Flagship-Standortes am Baseler Platz in Frankfurt feierte die neue Coworking-Marke Rivvers ihre Premiere. Hinter der Marke verbergen sich zwei Unternehmen, die sich in den letzten 10 Jahren zu Platzhirschen in ihren Regionen entwickelt haben: Work Inn (→) in NRW mit 13 Spaces und SleevesUp! (→) in Hessen mit über 20. Mit ihrer Fusion verschmelzen sie zu Deutschlands größtem Coworking-Anbieter. Bereits im Juli 2024 kündigten die beiden Unternehmen die Fusion an und damit auch den Plan bis 2028 auf 100 Spaces zu wachsen. Bis zum Sommer diesen Jahres soll zumindest die Marken-Umstellung vollzogen sein.
Wie das gelingen soll, welche Auswirkungen das auf bestehende Mieter hat und welche Konsequenzen ihre Dominanz auf die Coworking-Szene in Deutschland haben könnte, darüber habe ich mit Tim Schabsky gesprochen, ehemals Work Inn CEO, jetzt Head of Marketing, Sales und People & Culture bei Rivvers.
DROID BOY: Wie ist es zum Zusammenschluss von Work Inn und SleevesUp! gekommen?
Tim Schabsky: Man muss sich den Coworkingmarkt so vorstellen, dass es drei Kategorien gibt: Die erste besteht aus ein paar Riesenkonzernen wie etwa WeWork oder Design Offices, die vor allem in den Top Sieben Städten unterwegs sind. Dann sind da sehr viele kleine Coworkingspaces. Und dazwischen eine Kategorie mit ein paar Unternehmen, die wie wir sind: Inhabergeführt oder aus der Startup-Branche. Wir haben Gespräche mit mehreren Unternehmen geführt. Und da ging es vor allem um die Strategie, das Verständnis von Coworking, und ob es von der Unternehmenskultur her passt. SleevesUp! von Sebastian Schmidt und Sebastian Fuss haben einen sehr ähnlichen Spirit. Im Gespräch haben wir festgestellt, dass das super gut passt. Da hat es außerdem gepasst, dass wir uns regional nie auf die Füße getreten sind.

„Wachstum war immer das Ziel.“
Tim Schabsky, Geschäftsführer United Workspace GmbH
Unser Ziel war es eigentlich schon immer, ein großer, optimalerweise deutschlandweit tätiger Anbieter zu sein, weil das Synergieeffekte bringt und Vorteile bei der Professionalisierung und der Innovation hat. Als wir im Ruhrgebiet Marktführer geworden sind, war die Idee, einen Partner zu finden, mit dem man gemeinsam weiter wachsen kann.
DROID BOY: Wie seid ihr dann weiter vorgegangen? Immerhin seid ihr trotz ähnlichem Spirit unterschiedliche Unternehmen, die auch unterschiedlich groß sind.
Tim Schabsky: Uns war es von Anfang an wichtig, dass es eine Partnerschaft unter Gleichen ist, und wir nicht das Gefühl vermitteln, ein Unternehmen hätte das andere übernommen. Darum haben wir eine neue Gesellschaft gegründet, die United Workspace, in der Work Inn und SleevesUp! Tochtergesellschaften sind. Bei United Workspace sind weiterhin alle bisherigen Geschäftsführer dabei: Meine Frau, die Dörte, leitet mit Operations den wichtigsten Part. Sie sorgt dafür, dass die Spaces gut laufen. Sie hat das meiste Personal. Sebastian Fuss ist der Techy von uns. Eine Kompetenz, die SleevesUp! eingebracht hat. Das hatten wir vorher bei Work Inn nicht. Weil Tech so wichtig ist, haben wir diese Abteilung an die Geschäftsführung angesiedelt. Sebastian Schmidt kümmert sich um Finanzen, Controlling, Administration und Investor Reporting; Aufgaben, die ich abgeben konnte. Ich kümmere mich um die ganze Marktseite: Marketing, Vertrieb, Sales und das schöne Thema People and Culture. Unternehmenskultur ist bei Coworkinganbietern total wichtig.
DROID BOY: Wie viele Mitarbeiter hat das Unternehmen jetzt insgesamt?
Tim Schabsky: Gut 80 Mitarbeitende, davon zwei Drittel im Bereich Standort- und Community Management. Weitere Bereiche sind Tech, hier arbeiten aktuell 4 Personen, Vertrieb und Marketing sowie People & Culture und Finanzen und Controlling.
DROID BOY: Sprechen wir über die Marke Rivvers, wie die Coworking-Brand jetzt heißt. Wie war der Prozess dazu, was habt ihr euch dabei gedacht?
Tim Schabsky: Bei der Entwicklung des Markenkerns war die Frage, worum es eigentlich bei unserem Geschäft geht. Dazu haben wir mit Kunden und dem Team gesprochen, um herauszufinden, was ihnen wichtig ist, und um welche Werte es geht. Das war das Fundament. Die Entwicklung der Vision wurde von Dragon Rouge und 9Elements aus Bochum begleitet. Das Ergebnis ist der Markenkern „Joy of Workflow“: Wir wollten das Gefühl in den Mittelpunkt stellen, wenn bei der Arbeit alles läuft und du am Abend sagen kannst „Das war ein richtig guter Arbeitstag.“ Es geht uns dabei weniger um das Bürogebäude, Work oder Design, sondern um die Nutzererfahrung der Menschen vor Ort.
Beim Namen war uns darum auch wichtig, nichts Produktbezogenes wie “Büro24.com” zu nehmen, sondern die Verbindung der Menschen zu betonen. Flüsse fließen und haben eine hohe Aufenthaltsqualität. Menschen zieht es zum Wasser. Das hat Vibe und Energie. Flüsse fließen aber auch mal zusammen, so wie unsere Unternehmen zusammen geflossen sind und werden gemeinsam größer. Da fanden wir Rivvers sehr passend.


DROID BOY: Was steckt hinter dem Doppel-V in Rivvers?
Tim Schabsky: Das hat einmal ganz praktische Gründe: Rivers mit einem V ist markentechnisch schwierig. Es hat aber auch eine symbolische Bedeutung: Es sind zwei Unternehmen, die zusammenkamen. Es macht auch optisch ein bisschen eine Welle, ist ein Alleinstellungsmerkmal und man erkennt es wieder.
DROID BOY: Wie sieht euer Plan für den Übergang der beiden Marken zu Rivvers aus?
Tim Schabsky: Wie du sicher gesehen hast, sind die alten Webseiten noch online. Das hat vor allem SEO-technische Gründe. Die beiden Seiten werden erst im Sommer komplett offline genommen. Bei den Spaces ist es so, dass die neuen, wie zum Beispiel Frankfurt Hauptbahnhof, schon komplett im neuen Design sind. Die älteren Spaces werden jetzt nach und nach umgebrandet, was auch im Sommer abgeschlossen sein wird.
DROID BOY: Abgesehen vom Branding: Welche Auswirkungen hat eure Fusion auf Bestands-Coworker?
Tim Schabsky: Coworker von Work Inn werden in Zukunft das Buchungstool von SleevesUp nutzen. Was bedeutet, dass es für sie jetzt auch Tagespässe gibt. Das war mit unserem alten System nicht möglich, weil wir nur in Memberships dachten und eine Tagesbuchung viel zu aufwändig war. Dass das jetzt geht, hat mit Flexibilität und Lifestyle zu tun und ist eine wichtige Komponente.
Grundsätzlich gilt: Wir passen keine alten Verträge an. Mit dem Übergang zu Rivvers gibt es für unsere Coworker eigentlich nur Vorteile. Erstens bekommen sie einen Zugang zu allen Standorten. Bestandskunden können für nur 4,90 Euro im Monat eine Mitgliedschaft dazubuchen, mit der sie alle Standorte nutzen können. Das sind über 40 Standorte in 30 Städten und es werden mehr. Das nutzen auch schon relativ viele Firmen. Zum Beispiel eine Firma, die ein Büro in Frankfurt hat, aber drei Leute sitzen im Ruhrgebiet im Homeoffice. Denen können wir jetzt für ziemlich schlankes Geld Zugang zu weiteren Work Inn-Standorten bieten. Und es gibt mehr Firmen, als man denkt, für die das spannend ist.
Der andere große Vorteil ist die Erweiterung unserer Community-Plattform. Das sehen wir zweigeteilt: Es gibt die Standort-Community und die bleibt erhalten, denn es geht um die Menschen vor Ort. Ein Aspekt, den wir mit Work Inn einbringen, weil wir viel Know-How in Community-Building haben. Zusätzlich rollen wir die Community über alle Standorte aus. Aktuell sind das deutlich über 3.000 Leute, die sich über Slack vernetzen können. Später soll das über unsere eigene Plattform laufen.
DROID BOY: Was bedeutet die Fusion für eure Mitarbeitenden? Ist mit Entlassungen aufgrund von Synergieeffekten zu rechnen?
Tim Schabsky: Nein, das ist kein Thema. Beide Unternehmen liefen schon vorher mit einer ziemlich schlanken Infrastruktur. Wir haben uns nie mit Kosten überladen, die wir jetzt loswerden müssen. Es ist eher so, dass wir sehr froh darüber sind, dass wir durch den Zusammenschluss mehr Stabilität bekommen haben. Bestimmte Funktionen hängen jetzt nicht mehr an einer einzigen Person.
Es ist aber schon so, dass sich manche Leute in der Struktur nicht mehr aufgehoben gefühlt haben. 95 Prozent der Belegschaft konnten wir sehr gut mitnehmen. Für manche war der Wandel aber nichts. Das ist auch okay.
DROID BOY: Durch den Zusammenschluss seid ihr jetzt einer der größten Coworking-Anbieter Deutschlands.
Tim Schabsky: Umsatzmäßig sind wir sicherlich nicht der Größte. Aber wir sind der größte Anbieter, wenn es um Coworkingstandorte und die Anzahl der Städte geht. Deutschland ist ein Flächenland. Wir wollen in jeder relevanten Großstadt oder im Einzugsgebiet präsent sein. Ziel ist, Unternehmen sagen zu können: Wenn ihr irgendwo in Deutschland Flächen für Teams sucht, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass wir euch etwas anbieten können.
DROID BOY: Jetzt lebt die Coworking-Szene aber von ihrer Vielfalt. Seid ihr eine Bedrohung?
Tim Schabsky: In der Tat lebt die Coworking-Szene von der Vielfalt der Angebote. Wir sehen uns nicht unbedingt in Konkurrenz zum Coworker nebenan. Der kann einen schönen Space mit spitzer Zielgruppe und individuellem Charakter ausbauen. Da kann man koexistieren.
„Wir sind nicht der Anbieter, der reinkommt und andere Angebote verdrängt“
Tim Schabsky
Ich denke, Coworking wird vielfältig bleiben, weil die Ansprüche der Menschen, ihre Arbeitsweisen, ihr Lifestyle unterschiedlich sind. Wir sind nicht der Anbieter, der andere Angebote verdrängt, denn das Wachstum kommt immer noch von Firmen, die sich von klassischen Immobilienverträgen lösen. Das Verhältnis unserer Kunden ist 25 Prozent Einzelkunden und 75 Prozent Firmenkunden. Das ist unser Case und da kommt unser Wachstum her.
Da sind immernoch genügend Leute dabei, die den typischen Coworking-Spirit in die Standorte bringen. Gleichzeitig wollen wir viele Angestellte erreichen, die vorher vielleicht Vorbehalte hatten. Aber auch die haben am Ende Bock auf einen guten Arbeitstag. Das ist eigentlich eine sehr gute Mischung.
DROID BOY: Wirtschaftlich gesehen ist Wachstum für euch sehr wichtig. Wie steht ihr zum Aktienmarkt und strebt ihr einen Exit an?
Tim Schabsky: Keiner der Gründer ist Exit-getrieben nach dem Motto: Schnell die Umsätze steigern, Kosten sind egal, irgendjemand wird es kaufen. Das ist nicht unser Modell. Wir wollen langfristig ein sehr erfolgreiches Unternehmen aufbauen, dass ich irgendwann mal gerne in die Hände der Kids geben würde. Wir sind langfristig orientiert und nicht Exit-orientiert. Sollte mal ein großer Player aus dem Ausland auf uns zukommen, muss man halt reden. Unsere Motivation ist das aber nicht.
DROID BOY: Welche Ziele habt ihr bezüglich der Anzahl eurer Standorte? Wie stark seht ihr euch in Zukunft wachsen?
Tim Schabsky: Die große Zahl, die wir erreichen wollen, sind 100 Standorte bis Ende 2028. Wenn es dann nur 70 Standorte in 60 Städten sind, oder 105 Standorte, dann ist das auch egal. Wir wollen im Markt präsent sein. Am Ende geht es darum, Firmen und Menschen in Deutschland dort ein gutes Angebot zu machen, wo viel ökonomische Aktivität ist.
Dieses Interview wurde am 25. April remote über Zoom gehalten.
Alle Fotos: © Anke Sundermeier
Weiterführende Links
Webseite: Rivvers →
Schreibe einen Kommentar