Wer Kritik an Narrativen aus dem Silicon Valley übt, sei Blind auf dem Auge der Möglichkeiten? Nein, entgegne ich. Denn ich sehe Möglichkeiten.
Eine Re:Re:Replik auf Gunnar Sohns „Wird OpenAI das Smartphone abschaffen?„
Was bisher geschah: Gunnar Sohn verbloggte die Meldung, dass das Startup „io“ von OpenAI gekauft wurde. Das Besondere: Johny Ive, der legendäre Apple-Designer ist mit an Bord. Für Gunnar besteht der Paukenschlag aus einer Möglichkeit: Ein geplantes AI-Gadget, dass ohne Display auskommen soll, könnte das Smartphone beerben. Meine Replik darauf: Das sei ein Narrativ. Selten wird etwas abgelöst, zumal das Smartphone sich mitentwickeln wird. Ich sehe die Nische für das AI-Gerät. In Gunnars erneuter Replik will er einen blinden Fleck in meiner Rezeption erkannt haben: Zu realistisch sei mein Blick auf die Welt. Und damit verstellt, um die Möglichkeiten zu sehen.
In diesem Beitrag antworte ich darauf.
Könnt ihr euch noch daran erinnern, als wir damals auf Twitter waren? Die digitale Elite versammelte sich dort um das Lagerfeuer, um die Zukunftsvision einer freien digitalen Infrastruktur zu feiern. Heute, Jahre später, ist von dieser Vision nicht mehr viel übrig. Twitter wurde verkauft. Und damit die Ideale, die wir unteranderem an dieses Netzwerk knüpften. Jetzt auch noch eingespeist in die KI Grok, die gerne mal den Holocaust leugnet und zum Völkermord aufruft.
Ich bin gerade auf dem Weg zur re:publica und frage mich: Auf welchem Netzwerk soll ich denn jetzt posten? Vieleicht ist die Antwort: Auf gar keinem.
Was mit Twitter geschah, das Korumpieren unserer Ideale, geschah durchweg in allen Netzwerken. Bei Twitter war es Musk. Bei Facebook, Instagram und WhatsApp Zuckerberg, durch den Missbrauch unserer Daten und die zunehmende Enshittification, sei es bei TikTok durch den Missbrauch dunkler Pattern, um uns süchtig zu machen. Aber auch bei Apple: Der Walled Garden als Inbegriff, nicht der Sicherheit, sondern der besonders gut gepflegten Platttform in der Plattform-Ökonomie. Um uns ewig zu binden.
Eine Frage, die ich mir heute stelle: Wie konnten wir so falsch liegen? Wieso vertrauten wir Unternehmen unsere Zukunft an? Weil es möglich war. Weil sie Teil von Versprechungen waren, die wir glauben wollten. Wir sind schon selbst schuld daran, dass wir uns an dieser Stelle in der Geschichte befinden.
Was haben wir daraus gelernt?
Scheinbar nicht viel, wenn es heute lediglich ein bisschen KI und eine Apple-Design-Legende braucht, um erneut die Phantasie zu entfachen. Wenn Gunnar Sohn mir vorwirft einen blinden Fleck dort zu haben, wo andere Möglichkeiten sehen, frage ich mich, wie er ignorieren kann, was wir aus der Vergangenheit gelernt haben? Zumal das Schema sich tatsächlich einfach so wiederholt. Eine Innovation wird dazu verwendet, um uns zu binden, Daten zu sammeln, um daraus eine Plattform zu schaffen, von der wir erneut abhängig sind.
Gunnar Sohn geht wohl davon aus, dass wir es mit der KI mit einer Basisinnovation zu tun haben, die am Anfang eines weiteren Drehs im Kondratjew Zyklus (Wikipedia) steht.
Dafür spricht, dass Gunnar Sohn die Entwicklung eines Gerätes wie ein AI Pin als eine Möglichkeit sieht bestehende Konventionen infrage zu stellen. Es gehe darum „Hardware, Software, KI und Design im Zusammenspiel neu zu denken.“ Um daraus ein neues Ökosystem zu entwickeln, dass aus „Kontext, Präsenz und Beziehung“ bestehe.
Wenn Jony Ive davon spricht, wie diese Technologie die Menschheit verbessern kann, dann vor allem deswegen, weil sich damit Geld verdienen lässt. Das an sich ist keine verwerfliche Sache. Aber in einer Ökonomie, in der aufgrund der regulatorischen Situation alles auf einen Monopolisten strebt, habe ich damit ein Problem. Längst nehme ich alle Narrative dieser Art, zur Demokratisierung (Sam Altman) von KI und was ihnen sonst so einfällt, als Bullshit-Marker. Denn ihre Narrative haben uns nicht freier gemacht. Sondern die Armen ärmer, die Reichen reicher, und den Faschismus stärker.
Ich sehe also durchaus Möglichkeiten in dem, was Ive und Altman sagen. Aber es sind keine, auf die ich noch große Lust habe. Denn was sie uns sagen ist nicht das was sie tun. Die sozialen Netzwerke sind unser Brot und Spiele, die KI, wie sie sich Gunnar vorstellt, eine noch pervertiertere Version davon.
In der Zwischenzeit pflege ich meinen eigenen Möglichkeitsmuskel. Doch ohne die Narrrative aus dem Silicon Valley, die mitunter an trojanische Pferde erinnern. Statt dessen versuche ich Zukünfte zu denken, die Demokratie ermöglichen, ohne sich on Crypto-Apologeten verarschen zu lassen.
Ich habe mich in der Zwischenzeit entschieden: Auf der re:publica werde ich vor allem Mastodon verwenden.
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