Recycling einer Recyclingmaschinenfabrik

Als ich vor wenigen Tagen durch meine Facebook-Timeline scrolle, fällt mir eine Bilderserie von Oliver Wüntsch auf. Sie zeigt eine leere Fabrikhalle, die zu einer Zeit gebaut wurde, zu der man noch Backsteine verwendete. Braune Flächen auf grauem Boden, wo früher einmal große Maschinen standen. Die Bilderserie zeigt Menschen, die gut gelaunt und interessiert sich umschauen und durch die Halle spazieren, wie sie von einer Empore herab in den nun leeren Fabrikraum schauen.

Unter ihnen befindet sich Yvonne Firdaus, die Leiterin der Garage Bilk, Düsseldorfs ältestem Coworkingspace. Wie mir Yvonne später erklärt, hat Metso Lindemann erst vor wenigen Wochen geräumt. Jetzt, da ich nach Metso google, lese ich: 2012: Mitarbeiter bei Metso Lindemann bangen um ihre Existenz. 2013: Metso Lindemann streicht 140 Stellen in Düsseldorf. 2014: Metso Lindemann kündigt 114 Mitarbeitern. Mittlerweile steht die Fabrikhalle mit 34.000 Quadratmetern und das knapp 3.000 Quadratmeter große Verwaltungsgebäude mitten in Düsseldorf leer. Mir schwant: Yvonne hat großes vor. Ich vereinbare ein Telefoninterview und finde heraus, was sie vorhat.

Metso Lindemann Fabrik

Dritte von Links: Yvonne Firdaus, Geschäftsführerin der Garage Bilk zeigt Interessierten die mittlerweile geräumte Halle.

Droid Boy: Hallo Yvonne, danke, das Du so kurzfristig Zeit gefunden hast, denn mein Gefühl sagt mir, das du vermutlich ziemlich beschäftigt bist. Ich rufe an, weil ich Olivers Bilder von der Fabrikhalle gesehen habe. Was genau habe ich da gesehen?

Yvonne: Hallo Thomas, da hast du recht. Was du gesehen hast ist die Fabrikhalle auf dem ehemaligen Metso Lindemann Areal, eine alte Recyclingmaschinenfabrik (Erkratherstraße 401, Düsseldorf). Wir planen einen Leuchtturm für die Zukunft der Arbeit. Das Gelände wurde von meinem Partner erworben und die gute Nachricht ist, das die Halle zu 99% stehen bleiben kann. Das heisst wir können loslegen.

Droid Boy: Wer ist der Partner und womit könnt ihr loslegen?

Yvonne: Ich bitte um Verständnis wenn ich den Partner nicht namentlich nennen kann. Nur soviel: Nach langer Suche habe ich endlich jemanden gefunden, der Coworking versteht und uns nicht nur als Mieter sieht. Das, was wir gemeinsam vorhaben, hat noch keinen Namen. Da sind wir auf externen Input angewiesen. Uns würde aber ein Name mit Factory oder Campus gut gefallen.

Droid Boy: Das heisst ihr plant einen weiteren Coworkingspace zu eröffnen?

Yvonne: Je nachdem, wie schnell wir mit dem Umbau sind, werden wir die Garagen verlassen und uns auf einen Standort konzentrieren. Außerdem sieht es wohl so aus, als ob die Garagen so nicht länger bestehen werden.

Die erste Besichtigung durch Interessierte fand bereits statt.

Die erste Besichtigung durch Interessierte fand bereits statt.

Droid Boy: Wieso? Seid ihr gekündigt worden, habt ihr gekündigt?

Yvonne: Nein, aber das Gelände wurde vor kurzem verkauft und wir haben angedeutet bekommen, das der Investor die Garagen abreißen möchte und etwas anderes plant.

Droid Boy: Die Idee zum Factory-Campus ist also deswegen entstanden?

Yvonne: Die Idee hatte ich und habe ich schon seid Anfang an. Im Grunde ist das bereits das, was die Garage Bilk heute schon ist: Coworking, aber auch Raum für Diversität, weil ich der festen Überzeugung bin, das es nicht reicht einfach nur ein Gründerhub zu sein. Man muss das als ein großes System sehen, mit unterschiedlichen Playern vor Ort, Startups, aber auch mittelständische Unternehmen und Corporates. Die Garage Bilk ist schon heute offen für Kreative aller Art. Ich kann mir gut vorstellen, das wir in Zukunft auch Ateliers für Künstler im Factory-Campus haben. Allerdings ist dafür die Garage mit seinen gerademal 650 Quadratmetern viel zu klein gewesen. Schon seit Jahren suchen wir nach neuen Räumen. Allerdings ging es uns nie darum nur 3 Räume mehr zu haben. Es scheiterte bislang daran, das Coworking noch immer nicht verstanden wird. Das Learning war, das wir nicht nach geeigneten Räumen, sondern nach einem geeigneten Partner suchen müssen. Und denn haben wir jetzt gefunden. Er kümmert sich um Faszilitätsmanagement und die Bebauung und ich kümmere mich als Geschäftsleitung um den Campus, erstelle das Konzept und fungiere als Vermieterin.

Der Campus soll eine diverse und integrative Plattform sein.Yvonne Firdaus

Droid Boy: Wie genau soll dieser Campus aussehen?

Yvonne: Der Campus soll eine diverse und integrative Plattform sein, die weit über Düsseldorf hinaus strahlt und ein guter Grund für Gründer, Startups und Kreative sein soll sich in Düsseldorf anzusiedeln. Nicht nur als Startup-Hub, sondern als Plattform, die offen ist für Alles. Wir planen schon eine konzeptionelle Vermietung, denn es geht nicht darum den Laden irgendwie voll zu bekommen, aber es geht auch nicht darum, das nur Gründer rein dürfen. Das wäre wiederum zu schmal gedacht. Wenn wir uns die Wertschöpfung ansehen, dann müssen wir komplexer denken. Wir müssen nachhaltig denken und verstehen wie wichtig Diversität ist. Was wir aufbauen, ist ein Ökosystem. Da sind sich die Akteure in Düsseldorf einig. Vom Atelier über ein Startup-Hub bis hin zu Inkubatoren und Seed-Fonds wollen wir alles haben. Eine Gastro werden wir natürlich auch haben.

Droid Boy: Und wie sieht der Plan jetzt konkret aus? Wann kann man einziehen?

Yvonne: Wenn alles klappt, hoffen wir, das bereits im Juli die ersten Etagen des Verwaltungsgebäudes bezugsfertig sind. Das ist abhängig davon wie der Vermietungsprozess läuft. Das wird dann klassisches Coworking, allerdings mit mehr Funktionsräumen als wir es jetzt in der Garage haben.
Auf uns kommt allerdings jede Menge Arbeit zu. Wir müssen ein komplettes Team aufbauen und gleichzeitig die Garage Bilk anständig bespielen. Am 13. April wird im Rahmen der Startup Week das erste große Event statt finden.

Droid Boy: Was muss man sich unter dem Verwaltungsgebäude vorstellen?

Yvonne: Das Verwaltunsgebäude ist wie ein L aufgebaut. Ein Teil hat vier Etagen, der andere zwei. Wieviele Räume das sind, weiß ich aktuell nicht. Das wird sich allerdings auch noch verändern, denn wir sind im Moment dabei uns zu überlegen, welche Wände rauskommen und welche drin bleiben. Jetzt ist eigentlich genau der richtige Zeipunkt für jeden Interessenten auf uns zuzukommen. Denn jetzt haben wir Gestaltungsspielraum. Allerdings ist mir schon wichtig, das die schönsten Räume Gemeinschaftsräume werden sollen. Da sollen so viele Menschen wie möglich rein, nicht nur ein Chef.

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Droid Boy: Was plant ihr mit der Halle anzustellen? Die sieht so aus, als müsste man da nochmal mit dem Schmirgelpapier drüber.

Yvonne: (lacht) Da muss man in der Tat mal drüberschmirgeln. Wir sprechen von drei Bauabschnitten, weil das Vorhaben so groß ist und fassbar werden muss. Der erste Schritt bezieht sich auf das Verwaltunsggebäude. Der zweite Abschnitt auf die Halle. Das ganze Areal hat drei Zufahrten, das heisst auch wenn an einem Abschnitt gebaut wird, kann man in Ruhe arbeiten. Bei der Halle gehen wir davon aus, das wir sie in eineinhalb Jahren bespielen können. In der Halle entsteht ein Raum-in-Raum-Konzept. Wir schieben da Containerbüros rein, denn die Halle selbst kann nicht geheizt werden. Im dritten Abschnitt wird das noch unbebaute Areal erschlossen und ganz neu bebaut.

Droid Boy: Das klingt alles sehr teuer, gibt es denn weitere Akteure, die investiert sind oder die das Projekt fördern? Ich denke da an die Stadt Düsseldorf oder das Land NRW. Beide haben sich in letzter Zeit ja deutlich zur digitalen Szene bekannt.

Yvonne: Nein, es ist nur der Investor und ich an der Betreibergesellschaft beteiligt, die demnächst gegründet werden soll. Es gibt keine stillen Teilhaber oder versteckten Investoren. Die Summe selbst spielt dabei eigentlich keine Rolle. Was man sagen kann ist, das genug Substanz durch den Investor vorhanden ist.

 

 

Droid Boy: Wie sieht es preislich aus?

Yvonne: Unser Ansatz ist divers und integrativ, das bedeutet ich möchte es ermöglichen, das die unterschiedlichsten Zielgruppen dabei sind. Darum kann ich nicht mit starken Selektoren arbeiten, sonst würde das Konzept nicht funktionieren. Wir werden deshalb Preise an den Start bringen, bei denen Startups mitmachen können und die Community mitarbeiten kann. Ein ausgearbeiteter Businessplann liegt zwar noch nicht vor. Und ich kann nicht versprechen, das die Preise eins zu ein so sein werden wie in der Garage Bilk. Ziel ist aber, das es bezahlbare Preise bleiben.

Droid Boy: Liebe Yvonne, vielen Dank für das Gespräch und alles Gute mit dem Factory-Campus!

 

Weiterführende Links:

Webseite: Garage Bilk
Wikipedia: Coworking
RP Online: Industriegelände von Metso soll Start-up-Heimat werden

Das Interview wurde telefonisch am 19. Februar 2016 um 11 Uhr geführt.

Vielen Dank an Oliver Wüntsch für die Bereitstellung der Bilder. Alle Rechte liegen bei ihm.

2 Comments Recycling einer Recyclingmaschinenfabrik

  1. Ralf Neuhäuser

    Ja, da geht Großes vor. Ich war bei den beiden bisherigen Begehungen der Bürogebäude und Hallen am Mittwoch und heute dabei (auf einem Foto oben der zweite von links mit der blauen Mütze) und hatte den vollen Wow-Moment, als wir die riesigen Hallen betraten. Ich bin sehr gespannt und versuche auch für mich dort eine Möglichkeit zu entsinnen – als Mieter von Yvonnes „klassischem“ Coworking Angebot (Flex- oder Fix-Desk oder Einzelbüro) oder was mir sonst noch so einfällt. Optionen gibt es schon durch die schiere Größe reichlich.
    Ich drücke Yvonne jedenfalls die Daumen für dieses großartige und ambitionierte Projekt und Speise gerne alle möglichen Ideen ein.

  2. Pingback: Coworking in NRW – 40 Locations, 1 Map | Droid Boy

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