Zu wenig Lob der Sprache

Aktuell beschäftigt mich das Thema Original und Kopie, wofür es sich anbietet  „Mashup – Lob der Kopie“ von Dirk von Gehlen in die Hand zu nehmen. Bereits bei Seite 96 genieße ich zwar die Lektüre, vermisse aber einen Aspekt, den ich generell bei Diskussionen um das Netz und den Technologien drumherum als zu kurz genommen empfinde: Die Sprache.

Das Netz ist Sprache. Ohne Sprache kein Netz. Es gehört zu seinen fundamentalen Grundvoraussetzungen wie das Dingliche den Dingen. Wäre das Netz nicht sprachlich, dann wäre es nur eine elektrische Schaltung mit Maschinen. Doch so sehr es die Grundbedingung seines Seins ist: In der Diskussion um verschiedene Aspekte des Netzes wird der Aspekt der Sprache beinahe immer ignoriert. Meistens geht es über „Ein Freund ist nicht immer auch ein Freund“ nicht hinaus. Da das Netz aber immer wichtiger wird, gesellschaftlich und kommerziell, kommen wir nicht umhin uns damit auseinander zu setzen.

Dirk von Gehlens aktuelle Veröffentlichung bleibt nicht ganz so oberflächlich. Immerhin bemerkt der Autor eine Diskrepanz zwischen dem Bezeichneten und der Bezeichnung. Nicht zuletzt deshalb, weil die Diskrepanz zwischen der Tradition zum Beispiel des Wortes Kopie – ein Schlüsselbegriff in von Gehlens Buch – und der modernen Praxis deutlich wird. Er greift viele Beispiele der Kulturtechnik des Kopierens heraus, um aufzuzeigen, das nichts Verwerfliches daran ist.

Auch die Propaganda der Musikindustrie deckt von Gehlen rasch auf. Das macht er nicht mit einer Sprachanalyse, sondern indem er dem Gesagten Fakten entgegenstellt. Dass das illegale Kopieren dem Verkauf von CDs zum Beispiel geschadet hat, stimmt einfach nicht, wenn davon ausgegangen werden muss, dass nicht alles was heruntergeladen auch gekauft worden wäre. Hier hätte er auch mit einer üblichen Medienkritik und PR-Schelte die sprachlichen Missgriffe entlarven können. Dass er es nicht tut und sich auf die Sache konzentriert, erhält dem kleinen Büchlein seine Lesbarkeit.

Ein Problem ist, das Dirk von Gehlen nicht über die ungenaue Umgangssprache hinausgeht. So bleibt der Begriff Kopie schwammig. Manchmal habe ich mich dabei ertappt, wie ich mir wünschte er würde statt kopieren imitieren sagen. So bleiben seine spannenden Erklärungen über die Geschichte einer uralten Kulturtechnik wie die des Kopierens orientierungslos, da sie nicht erklären, was denn nun Kopieren in unserer Zeit ist. Alles scheint eins zu sein.

Die Beschäftigung mit der sprachlichen Komponente des Problems halte ich für ebenso wichtig wie zum Beispiel dem juristischen Aspekt, da sie allem vorausgeht; es kann eben nicht sinnvoll Recht gesprochen werden, wenn die Begriffe nicht klar sind. Das hat der Redaktionsleiter von jetzt.de wohl verstanden, löst das Problem aber nicht. Und, wie ich finde, macht es auch nicht deutlich genug. Für einen ausführlichen Einstieg in die Problematik ist das Buch jedoch hervorragend geeignet und absolut empfehlenswert.

Digitale Notizen: Über Mashup
Twitter: Dirk von Gehlen

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